Sehr aufwändig – aber es lohnt sich
Falls ihr euch über die Pinsa-untypische Form wundert. Da habt ihr recht. Eigentlich ist die Pinsa eine sehr dünne, flache Angelegenheit. Ich war beim Ausformen aber etwas sehr vorsichtig. So entstand diese Form: etwas sehr rundlich um die Hüften herum. Passt aber zu mir (ähnelt mir sehr), so dass ich euch das Rezept trotzdem präsentiere. Wer die dünne Variante bevorzugt, arbeitet den Teig einfach dünn aus.
Wäre sie ein Eisbär, würde man sich nicht wundern, dass die Pinsa es gerne kalt mag: für die Teigzubereitung mag sie es gerne eiskalt. Ihre Ruhe genießt sie für mehrere Tage im Kühlschrank bei drei bis vier Grad, bis sie im heißen Ofen Ihren großen Auftritt hat. Der Teig ist recht empfindlich: übersteigt die Teigtemperatur beim Kneten 22/ 23 Grad, zerreissen die Glutenstränge. Daher empfehle ich, beim Kneten die Teigtemperatur kontinuierlich im Auge zu behalten und ein Teigthermometer zu benutzen.
Wie bei den meisten modernisierten Rezepten, die aktuell im Internet und in der Kochliteratur im Umlauf sind, besteht auch der Teig für dieses Rezept aus einer Mélange aus Weizen-, Reis-und Bohnenmehl.
Das ursprüngliche Rezept aus dem alten Rom (ja, so alt ist die Pinsa schon) soll aus Hirse, Gerste und Emmer (das römische Wort für Emmer lautete “far” und ist im heutigen italienischen “farro” noch in Verwendung – das gleiche Wort für “Dinkel” benutzt) bestanden haben.
Erst im Sommer 2023 wurde bei Ausgrabungen ein Vorläufer der modernen Focaccia oder Pizza in Herculaneum gefunden. Diese bestand genau aus den genannten Urgetreiden, und wurde mit einem Namen bezeichnet, aus dem das Wort „Focaccia“ hervorgegangen sein könnte. Gebacken wurde die Pinsa im antiken Rom in Lehmöfen, wie sie heute noch in Gebieten der heutigen Türkei und benachbarten Ländern verwendet werden.
Antikes oder modernes Rezept: gemeinsam ist beiden Varianten die leichte Verdaulichkeit durch die lange Teigruhe von mindestens drei bis fünf Tagen, die Verwendung von Lievito Madre, die hohe Hydratation von 80-90% (Pizza kommt mit ca. 60% Wasseranteil aus) sowie die luftige Textur des Teigs. Der Teig wird nur mit Semola bestreut oder alternativ mit Tomatensauce bestrichen und vorgebacken. Dann erst mit edlen Zutaten (Rucola, Büffelmozzarella, San Daniele Schinken und dergleichen mehr) belegt. Wählt man die Vorback-Variante mit Semola, entwickelt sich das zusätzliche Quäntchen an Knusprigkeit, dass zum Siegeszug der Pinsa in Italien und nun auch in Deutschland beiträgt.