Backen mit Hefe oder Sauerteig

Doris Dempewolf

Diese Frage wird häufig gestellt. Die Antwort in Kurzform: ob man mit Hefe oder Sauerteig backen möchte, ist von mehreren Faktoren abhängig: Zeit, Wissen, Gesundheit, Umweltbewußtsein, Tradition und Handwerk, Geschmack, Haltbarkeit. Es kommt immer ganz darauf an, was einem besser liegt, welche Qualitätsansprüche man hat, und ob man eher dem Team „einfach und schnell“, oder dem Team „langsam und bekömmlich“ angehört. Beide Teams haben ihre Berechtigung. Wichtig ist, dass man für sich persönlich bei jedem Backprojekt entscheiden kann, welchen Weg man beschreiten möchte.

Backen mit Hefe, und hier meine ich die Hefewürfel bzw. die Trockenhefe aus dem Tütchen, ist stets die einfache und schnelle Variante. Es ist möglich, innerhalb kürzester Zeit (1-4 Stunden) ein Brot aus dem Ofen zu ziehen, das hübsch anzusehen ist, und auch geschmacklich prima ist. Allerdings sollte man hier bedenken, dass diese einfache und schnelle Variante durchaus auch Nachteile hat. Brote mit Hefe neigen zu schnellerer Schimmelbildung, zum schnellen Altbacken-Werden / Austrocknen, und sie sind in vielen Fällen auch weniger bekömmlich. Wenn ihr also ein Brot backen möchtet, dass noch am gleichen, oder am nächsten Tag verzehrt wird, und kein Problem mit Verdauungsschwierigkeiten wie Völlegefühl oder Blähungen habt, ist Hefe euer Ding. Wer auch der Umwelt etwas Gutes tun möchte, der sollte anstelle der Industriehefe auf Biohefe zurückgreifen. Industriehefe ist ein ziemlich ungutes Produkt. Bei Interesse könnt ihr hier mehr dazu lesen.

Ich empfehle euch diesen Artikel der Universität Hohenheim. Hier wurde 2016 und 2020 mit Reizdarmpatienten gezeigt, dass Verdauungsprobleme meist in Zusammenhang mit kurzen Fermentationszeiten auftreten. Bei langen Teigführungen mit Sauerteig jedoch bleiben in den meisten Fällen selbst Reizdarmpatienten von Verdauungsproblemen verschont.

Wenn ihr mit Sauerteig backt, backt ihr automatisch mit langen Teigführungen. Der Vorteil dabei: die magen-und darmschädlichen FODMAPS sind im Teig zum Großteil abgebaut, und machen dann also keine Party in euren Gedärmen mehr. Weitere Vorteile sind die längere Haltbarkeit des Brotes und die minimierte Schimmelanfälligkeit. Was mir aber besonders wichtig ist, ist der Geschmack: Sauerteigbrote zeichnen sich durch die Bank weg durch ein dickes Plus an Aromen und Geschmack aus. Kommen dann noch diverse Vorteigmethoden mit ins Spiel, wie z. B. Pouliche oder Biga, gerät euer Brot zu einer wahren Delikatesse.

Backen mit Sauerteig
Sauerteig wird angesetzt, um die Teigtextur zu lockern, und dem Brot verschiedene Eigenschaften (Haltbarkeit und Geschmack) zu verleihen. Kurz nach dem Ansetzen des Sauerteigs entwickeln sich unterschiedliche Kulturen, die später für die Fermentation des Teigs verantwortlich sind. Je nach Pflegeart kann man Einfluss auf den Geschmack und die Triebfähigkeit des Sauerteige beeinflussen. So kann jeder Hobbybäcker seinen ganz persönlichen Sauerteig züchten, der in dieser speziellen Art der Zusammensetzung einmalig auf der Welt sein wird. Ein Sauerteig kann bei regelmässiger, guter Pflege mehrere tausend Jahre alt werden. Bis ein Sauerteig jedoch triebfähig und stabil ist, können Wochen, wenn nicht sogar Monate vergehen. Wichtig ist, dass der Sauerteig regelmässig und unter gleichbleibenden Bedingungen (Substrat/ Mehl, Temperatur, Hygiene) gepflegt wird.

Startpunkt ist immer ein Mehl feinster Qualität (am besten in Bioqualität) und frisch gepresster Apfelsaft, der ebenfalls in Bioqualität verwendet werden soll. Der Grund: für einen wohlschmeckenden, triebigen Sauerteig benötigen wir natürliche Hefen. Diese umgeben uns überall und stets. Auf der Schale von unbehandeltem Obst sitzen besonders viele dieser Naturhefen.

Nach zahlreichen (28-40) Erfrischungen mit derselben Mehlsorte besteht der Sauerteig aus einer relativ stabilen Verbindung von Laktobazillen und Naturhefen, die für die Milieubedingungen charakteristisch ist, und eine entscheidende Rolle spielt. Es besteht kein mikrobiologisches Risiko mehr, dass pathogene Arten in diesem Milieu überleben können. Der Grund liegt im Säuregehalt des Sauerteigs, aber auch in seiner Fähigkeit, andere Bakterienarten abzutöten. Das ist auch der Grund, warum Sauerteigbrote eher nicht zum Schimmeln neigen. Mit zunehmendem Alter neigt die Mikroflora des Sauerteigs dazu, an biologischer Vielfalt zu verarmen, aber die Hefe- und Milchsäurebakterien gleichen sich besser aus.

In den letzten dreißig Jahren hat sich das Backen mit Sauerteig stark verändert. Als der Wert alter Weizensorten nicht sehr gut war, war es wichtig, das Backen mit Sauerteig in mehreren Stufen durchzuführen, um dem Sauerteig maximale Kraft zu verleihen, und den Teig auch unter schwierigen Bedingungen aufgehen zu lassen.

Die Führung der Sauerteigbrotherstellung hat sich in den letzten dreißig Jahren stark verändert. Als der Backwert noch gering war
der alten Weizensorten nicht sehr gut war, war es wichtig, das Backen mit Sauerteig in mehreren Schritten durchzuführen.
mehrere Schritte, um ihr maximale Kraft zu verleihen und den Teig auch unter schwierigen Bedingungen aufgehen zu lassen
schwierigen Bedingungen zu führen. Der Sauerteig wird am Ende einen hohen Anteil (je nach Teig-und Mehlart liegt der Sauerteiganteil zwischen 1/3 und 1/2) am fertigen Teig haben. Die Gärung kann dann innerhalb weniger Stunden durchgeführt werden, wobei den Enzymen nicht viel Zeit bleibt, ihre Triebigkeit zu entfalten. Aus diesem Grund wird heute der Anteil des Anstellguts im Sauerteig zu minimieren (Sauerteig ca. 5% des Teigs), wodurch sehr lange Gärzeiten ermöglicht werden – sogar bei Raumtemperatur.

Die Hauptfunktion einer langen Abstehzeit besteht darin, die Aktivität der Enzyme zu maximieren. Dies erfordert auch eine ausreichende Hydration bei niedriger Teigtemperatur. Die Enzymaktivitäten können sich nur dann vollständig entfalten, wenn der pH-Wert des Teigs bei ca. 4,7 liegt. Die Produktion von organischen Säuren (Milch- und Essigsäure) durch Milchsäurebakterien ist in der Regel nicht möglich. Heterofermentative Milchsäurebakterien sind daher für die enzymatische Arbeit beim Brotbacken unerlässlich. Hier möchte ich auf die sog. „Phytase“ verweisen. Darunter versteht man eine Gruppe von Enzymen, die Phytinsäure hydrolytisch abbauen und somit das gebundene Phosphat freisetzen.

Die Proteasen spalten das Gluten in kürzere Fragmente auf. Wenn diese Enzymarbeit zu lange andauert, verflüssigen sie sich. Die Annahme dieser sehr langen Sauerteigführung bei ausreichend hoher Temperatur (26-30°C) kann natürlich am Ende des Prozesses durch die Lagerung bei 4-6°C gesichert werden, wenn die Enzymarbeit abgeschlossen ist. Somit empfehle ich auch, den fertig fermentierten Sauerteig bis zu 24 Stunden im Kühlschrank zu lagern, bevor er dem Hauptteig hinzugefügt wird, um seine Aufgabe zu verrichten.

Sauerteig verbessert den glykämischen Index, und auch die Bekömmlichkeit des Brotes. Zur Verbesserung des glykämischen Index von Brot muss das Kneten so sanft und so kurz wie möglich sein. Bei vielen Weizen-und weizenartigen Mehlen, sowie bei grundsätzlich allen allen alten Weizen-und weizenartigen Getreidesorten (Dinkel, Emmer, Einkorn, Weizen) empfehle ich daher stets, eine Autolyse einzusetzen. Bezüglich eines sanften Knetvorgangs sind das manuelle Kneten (also ohne Maschine), oder das Kneten mit besonderen Knetmaschinen, die für Weizenteige hergestellt wurden, zu empfehlen. Beispielsweise mit zwei Taucharmen, oder eine mit Gabelkneter, oder eine mit einem Spiralkneter.

Hobbybäcker sind nicht an das Erzielen von Gewinn gebunden, und somit stehen ihnen alle künstlerischen, handwerklichen, traditionellen Sauerteigmethoden offen. Dies sollten sie insbesondere aus gesundheitlichen und Genussgründen ausnutzen.

In diesem Sinne: Probieren Sie Mehle, Sauerteigführungen, Methoden und Traditionen aus. Es gibt soviel zu lernen und zu kosten.

Quelle: https://www.ambassadeursdupain.com/wp-content/uploads/2016/10/Livret_recettes_Pains_au_levain.pdf1

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