Pasta Madre (LM, Lievito Naturale, Mutterhefe) – die elegante Italienerin

Doris Dempewolf

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Das Pasta Madre-Kompendium

Industriehefefrei backen: damit funktioniert es!

Wie Italienerinnen nun mal so sind, gewinnen sie an Schönheit und Opulenz mit den Jahren. Meine pasta madre macht da keine Ausnahme.

Sie begeistert mich jedes Mal auf’s Neue: kaum müde und abgespannt aus dem Kühlschrank geholt, entwickelt sie eine überwältigende Energie: sie steigt und steigt an den Innenseiten ihres gläsernen Bettchens hoch.  Wäre ich nicht rechtzeitig eingeschritten, hätte sie schon mehrfach das Haus ohne mich verlassen 🙂

Dazu der Duft, den diese Italienerin verströmt: wie junger Wein, verführerisch, zart, blumig, duftig, leicht: die Dame hat Stil und Klasse – keine Frage.

Aber: was genau ist lievito madre / pasta madre / LM und was stellt man damit an? Und wie stelle ich sie her? In den folgenden Abschnitten möchte ich euch dazu Antworten geben.

Wer keine Zeit hat, eine eigene Pasta Madre zu züchten und zu pflegen, dem empfehle ich diese frische, von mir persönlich bestens gepflegte Pasta Madre, die ihr hier bestellen könnt.

Um die Temperatur für das Ansetzen und die Pflege eurer Pasta Madre kontrolliert auf einem konstanten Niveau zu halten, empfehle ich euch die Anschaffung einer großen Gärbox, in der ihr natürlich auch eure Brotteige gehen lassen könnt. Dazu benötigt ihr auch ein Heizkabel und eine Zeitschaltuhr. Mein Sauerteig-Technik-Set könnt ihr das direkt hier bestellen. Enthalten sind eine sehr große Gärbox, in die leicht vier Gärkörbchen passen, ein Heizkabel und ein Steuergerät, das die gewünschte Temperatur regelt. So müsst ihr euch keine Sorgen über die Temperatur machen.

Was ist Pasta Madre (auch „Lievito Madre“) ?

Ein (sehr) kurzer Ausflug in die Welt der Biochemie

Ob Pasta Madre, Lievito Naturale oder LM – alle diese Begriffe sind Synonyme für den Begriff „Pasta Madre“.  Im deutschen verwenden wir den Begriff „Weizen-Sauerteig“ oder auch „italienische Mutterhefe“. Es handelt sich hierbei um einen milden Sauerteig, der aus Weizenmehl und Wasser hergestellt wird. Durch die Milchsäure-Fermentation werden die Stoffe aus den Zutaten in einen sehr triebstarken Sauerteig umgewandelt. Der Lievito madre enthält neben Bierhefen (s. u.) auch verschiedene Arten von Milchsäurebakterien. Es handelt sich meist um Lactobacillus-Arten (z. B.: Brevis, Sanfranciscensis, Casei, Plantarum, Acidophilus).  Endprodukte der Fermentation sind organische Säuren wie Milch- und Essigsäuren. Diese haben konservierende Wirkung und verhindern somit Schimmelbildung. Die ausgezeichnet Frischhaltung, die man mit Lievito madre erzielt, beruhen auf einem chemischen Prozeß: Die saure Umgebung reduziert die Möglichkeit von Verunreinigungen durch andere Bakterien und Keime, die nicht säureliebend sind. Daraus resultiert die längere Haltbarkeit der Lievito-madre-Gebäcke. Was aber für viele Menschen, die an Lebensmittel-Unverträglichkeiten leiden, noch bedeutsamer ist, ist die bessere Verdaulichkeit und Verträglichkeit der Backwaren.

Was ist Hefe?

..und noch ein kleiner Schlenker in die Biochemie

Backhefe wird auf der Basis eines einzelligen Pilzes hergestellt. Als besonders geeignet für die Zubereitung von Backwaren und von Wein und Bier hat sich die Unterart Saccharomyces cerevisiae (Bierhefe) hervorgetan: Im Rahmen der alkoholischen Gärung spaltet diese Pilzart Zucker in Kohlendioxid  und Alkohol auf. Als Nebenprodukt der alkoholischen Gärung entstehen verschiedene Aromen, die unsere Backwerke erst schmackhaft machen. Die charakteristischen Luftlöcher im Hefeteig, hervorgerufen durch die Kohlensäure, sind das sichtbare Ergebnis der alkoholischen Gärung. Nebenbei verleihen Hefen den Teigen das typische Aroma.

Salz – wichtig für den Geschmack des Teiges

Egal, für welches Triebmittel man sich entscheidet: eine Zutat sollte man immer hinzufügen: Salz. Auch dieses entfaltet eine konservierende Wirkung. Aufgrund seiner hygroskopischen Wirkung bindet es Wasser und trägt somit zur Schimmelvermeidung bei. Zusätzlich hilft es beim Aufbau der Glutenstränge. Der Glutengehalt der verwendeten Mehlsorte spielt eine zentrale Rolle bei der Teigherstellung: Im italienischen spricht man bei der Beurteilung von Mehlen von „Kraft“ (forza). Diese bezeichnet den Eiweißgehalt, speziell den der beiden Hauptbestandteile von Gluten: Gliadin und Glutein. Während Gliadin für das Aufgehen des Teigs verantwortlich ist, bringt das Glutein die Elastizität in den Teig. Die Glutenstruktur entwickelt sich durch mechanische Einwirkung, unterstützt durch Wasser. Fette (z. B. Öle, Butter, Schmalz) dürfen erst zum Teig hinzugefügt werden, wenn die Bildung der Glutenstruktur (fast) abgeschlossen ist. Problematisch wird die Zugabe von Salz bei Hefegebäcken nur dann, wenn man es zum falschen Zeitpunkt dem Teig hinzufügt. Es kann – zu früh zugeführt – die Triebwirkung verlangsamen oder gar unterbinden. Aus diesem Grunde sollte man es vermeiden, Salz in direkten Kontakt mit Hefe zu bringen. Frischhefe reagiert besonders auf den direkten Salzkontakt. Die Zellwände werden zerstört. Die Triebwirkung wird jedoch nur minimal beeinträchtigt, weil die Enzyme der Hefe trotzdem arbeitsfähig bleiben. Dass das funktioniert, zeigt das Salz-Hefe-Verfahren. Die freigesetzten Gärenyzme aus der Hefezelle erhöhen die Formbarkeit der Teige.

Praktisch: bei der Verwendung von Pasta Madre stört die zeitige Zugabe von Salz den Aufbau des Glutengerüsts nicht. Deshalb kann man all-in-one-Teig völlig problemfrei ansetzen. Alle Zutaten (exklusive der Fette) können in den Kessel der Knetmaschine gegeben werden und ergeben stets einen schönen Teig.

Wo hilft’s?

Einsatzmöglichkeiten

Der Lievito Madre (oder: Pasta Madre oder Lievito Naturale) kann überall dort eingesetzt werden, wo ihr auch Hefe benutzen würdet.

Bevorzugt hilft der Lievito Madre bei Weizen – und Dinkelteigen. Wer möchte, setzt eine Dinkel-Madre an – auch das klappt wunderbar: eine Dame aus meiner Facebook-Gruppe „Dodos Grüne Küche“ hat sich aus meiner mit Weizenmehl gezogenen Lievito Madre innerhalb von drei Tagen eine höchst aktive Dinkel-Madre gezogen.

Italienische Brote wie Ciabatta, das Pane di Altamura als typisches Brot mit Lievito, Ruchbrot, aber auch Hefezöpfe, Brötchen, Pizza, Pinsa und Foccaccia lassen sich damit wunderbar treiben.

Als Zusatz zu Sauerteig funktioniert die Pasta Madre allerdings nur in eingeschränkter Art und Weise: sie unterstützt Sauerteige, man sollte aber nicht zuviel an Triebkraft erwarten – die kommt in der Kombination eher vom Sauerteig.

Ersetzen von Hefe durch Lievito Madre:

Wollt ihr komplett ohne Hefe backen, unterstützt euch auch hier die Lievito madre mit ihrer Power: Grundsätzlich gilt: 30% der Mehlmenge an Lievito madre zusetzen, wenn es sich um einen schweren Teig (mit Eiern und viel Fett) handelt. Leichte Teige, wie Pizza und Focaccia benötigen hingegen nur einen Madre-Anteil von 15-20% und mittelschwere Teige ca. 20%.

Eine Hefe-Umrechnungshilfe habe ich hier  für euch bereitgestellt. Mit diesem Tool müsst ihr nur die Menge an Hefe eingeben, die ihr durch Pasta Madre ersetzen wollt. Das Tool gibt euch dann eine Info, wie sich jeweils die Wasser- und Mehlmengen ändern müssen. Der Umrechner funktioniert auch in umgekehrter Weise: habt ihr Rezept, das auf die Verwendung von Lievito Madre ausgelegt ist und ihr möchtet Frischhefe verwenden, rechnet euch das Tool dies ebenfalls aus.

Zu beachten ist, dass sich die Stehzeiten bei der Verwendung der Lievito madre um das drei-bis vierfache im Vergleich zur Hefeverwendung verlängern. Das hat aber die Vorteile, dass ihr eurem Teig damit die Gelegenheit gebt, die Aromatik zu entwickeln, den ihr durch die Verwendung der Madre anstrebt. Zudem werden die FODMAPS vollständig abgebaut, was eine leichtere Verdaulichkeit des Teigs zur Folge hat.

Faul oder pfiffig?

Mensch versus Maschine

Die Pasta Madre ist euch inzwischen sehr ans Herz gewachsen. Vielleicht geht es euch da wie mir: ich liebe die Haptik von Teigen. Das „Erfassen“ also die Bearbeitung der Lievito Madre per Hand – liegt mir daher näher, als sie per Küchenmaschine zu verkneten. Aus hygienischen Gründen empfehle ich, alle Ringe und Armbänder abzunehmen, bevor ihr den Teig bearbeitet.

Viele von euch haben aber sicher wenig Zeit und vielleicht auch Lust, den LM-Teig (Lievito Madre) per Hand zu bearbeiten.

Auch kein Problem: denn gutmütig, wie der Lievito Madre ist, nimmt er euch das in keiner Weise übel. Da auch ich oft unter Zeitdruck stehe und im Rahmen meiner Sauerteig-Auffrischrunde, die ich mindestens zweimal pro Woche fahre (ich habe inzwischen vier verschiedene Sauerteige am Start – die könnt ihr hier bestellen), verwende ich gerne den Thermomix oder meine Kenwood Cooking Chef: Einfach alle Zutaten in die Maschine geben, Knethaken montieren, und schon kann es losgehen. Innerhalb von drei Minuten auf Knetstufe kneten die Maschinen euren Lievito Madre zu einem schönen, kompakten Teig, der genug Luft bekommen hat, um sich, zurück in seinem Einmachglas, wieder zu einem properen Weizen-Sauerteig à l’italiana zu entwickeln.

Wenn ihr es eurer Pasta madre schön kuschelig (sie liebt Temperaturen von 26-28°C) macht, entwickelt sich eure Pasta Madre wunderbar. Dass dabei die Oberfläche etwas trocken wird, ist nicht schlimm, sondern gut: denn dieses trockene Häubchen, wie ich es nenne, schützt das „Herz“ der Madre vor dem Austrocknen.

Kreuzweise

Kreuzweises Einschneiden

Das kreuzweise Einschneiden der Oberfläche hat keinerlei Einfluss auf den Trieb … es handelt sich um ein religiöses Symbol: man segnet den Teig mit dem Kreuz. Einige behaupten auch, das Einschneiden vergrößere die Oberfläche, was es den Naturhefen, die so durch die Luft schwirren, einfacher macht, in die pasta madre einzudringen. Ich denke, beide Meinungen haben ihre Berechtigung. Jedoch schneide ich nicht ein und meine pasta madre funktioniert einwandfrei.

Bei der Dosierung der Pasta Madre müsst ihr euch nur drei Varianten merken:

Teige mit hoher Fettmenge (Panettone, Colomba): 25-30% Pasta Madre, gerechnet auf die Mehlmenge (Bsp.: 250-300g fertig fermentierte Pasta Madre auf 1kg Mehl)

Teige ohne Fett (Brot, Brötchen, Pizza, Focaccia): 25% Pasta Madre, gerechnet auf die Mehlmenge (Bsp.: 250g fertig fermentierte Pasta Madre auf 1kg Mehl)

Teig mit wenig Fett (Zopfteige): 15-20% Pasta Madre, gerechnet auf die Mehlmenge (Bsp.: 150-200g fertig fermentierte Pasta Madre auf 1kg Mehl)

Die Gretchen-Frage

Was ist besser? Lievito Madre oder Hefe?

Völlegefühl, Blähungen und Bauchkrämpfe sind Symptome, die durch schwer verdauliche Stoffe aus Lebensmitteln hervorgerufen werden können. Eine der Vorteile, die die Verwendung von Lievito Madre hat, ist der Abbau der für die Verdauung schädlichen Stoffe außerhalb des menschlichen Körpers. Der Abbau-Prozeß der Stoffe, die für die oben beschriebenen Symptome verantwortlich ist, läuft beim Weizen-Sauerteig sehr viel intensiver ab als bei Backwaren, die mit (Industrie-)Hefe getrieben werden. Dabei werden bestimmte Eiweißbausteine durch Milchsäurebakterien sozusagen vorverdaut (Proteolyse). Dies ist der Hauptgrund, warum Teige, die mit Lievito Naturale / Madre getrieben werden, leichter verdaulich sind als die mit Hefe hergestellten Backwaren. Die Universität Hohenheim veröffentlichte 2016 und 2020 eine Studie über die Gründe von Reizdarm-Symptomen. Aus dieser geht hervor, dass die Verträglichkeit von Brot durch eine lange Teigführung und die Auswahl der passenden Weizensorten deutlich verbessert werden kann. Ob das Brot aus Weizen, Dinkel, alten Weizensorten wie Emmer, Einkorn, Kamut oder auch anderen Mehlen besteht, spielt dabei keine Rolle. Was die Unverträglichkeiten – speziell bei Reizdarm-Patienten ausmacht – sind unverdauliche Zucker, die sogenannten FODMAPS (fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole). Diese werden im Dünndarm nicht ausreichend abgebaut, gelangen unverdaut in den Dickdarm und verursachen Blähungen durch große Mengen an Wasserstoff, Kohlendioxid Methan. Die Studie schließt mit dem Ergebnis, dass die längere Abstehzeit der Teige (ab viereinhalb Stunden Teigruhe sind bei Weizen 90% der FODMAPS abgebaut) und die Wahl der richtigen Getreidesorte für die bessere Verdaulichkeit verantwortlich ist. Teige mit einer Gehzeit von bis zu einer Stunde weisen hingegen den höchsten FODMAPS-Gehalt auf. Sie sind somit für Reizdarm-Patienten am schlechtesten verträglich. Da Teige mit einem hohen Gehalt an Hefe meist nur sehr kurz – nämlich nur 30 bis 60 min gehen, verursachen sie selbst bei gesunden Menschen Blähungen und Völlegefühl. Die Teige jedoch, die mit natürlichen Hefen wie mit Lievito Madre oder auch mit Hefewasser getrieben werden, benötigen naturgemäß eine längere Stock- und Stückgare. Diese langen Abstehzeiten begünstigen somit den Komplett-Abbau der FODMAPS und erhöhen somit die leichtere Verdaulichkeit der Backwerke.

Nicht zuletzt aber – und das ist für mich das Wichtigste – schmeckt und duftet euer Gebäck damit „italienisch“ – zart – duftig – elegant, fast wie ein teures Parfum. Ihr erkennt an meiner Wortwahl, dass ich ganz entzückt bin über diesen Weizen-Sauerteig namens Pasta Madre.

Die beiden Nachteile gegenüber Hefe sind, dass Lievito, wenn ihr ihn frisch verwendet, erst einmal hergestellt werden muss (es sei denn, ihr habt das Glück, dass jemand euch eine Kultur schenkt, die ihr nur anfüttern müsst). Das Ansetzen / Züchten der Pasta Madre kann zwischen 5 Tagen (Turbo-Version, die auf einer Art von levain liquide basiert) und drei Wochen dauern (traditionelle Methode).

Zudem benötigt die Pasta Madre länger, um eure Teige zu treiben: je nachdem, wie fit die Mutterhefe ist, und bei welcher Temperatur sie ihre Triebkraft entwickeln darf, kann das zwischen 2 und 6 Stunden dauern. Vergleichsweise schnell – in nur einem Drittel der Zeit – treibt euch die Industriehefe aber eure Teige. Da hilft auch der Grundsatz „viel hilft viel“ leider nichts. Aber, wenn man sich der längeren Abstehzeiten bewußt ist, kann man wunderbarste Backergebnisse erzielen. Wer diese Zeit nicht aufbringen möchte oder kann, kann über Amazon demnächst meinen aktiven und mit viel Liebe gepflegten Lievito Madre kaufen. Bis es soweit ist, empfehle ich euch eine getrocknete lievito madre: Eva. Diese muss ca. 12 – 15 h vor dem Verbacken mit etwas Wasser angerührt werden und erspart ihr euch die Pflege der Madre – Eva ist immer einsetzbar.

Wie sag‘ ich’s meinem Kinde?

Die Wegwerf-Frage

Um die Pasta Madre bei Laune zu halten, muß sie regelmäßig mit Wasser und Mehl aufgefrischt werden. Mein Sauerteig schafft es inzwischen mühelos, drei bis vier Wochen ungefüttert im Kühlschrank zu stehen. Nach dem ersten Füttern explodiert er dann regelrecht und treibt wunderbar.

Ich gehe meist so vor, dass ich nur die oberen zwei-bis drei Zentimenter des Teigs entsorge. Diese sind meist etwas grau und trocken (ich streiche die Oberfläche nicht mit Olivenöl ein). Den restlichen Teig frische ich komplett auf. Auf diese Weise habe ich grundsätzlich eine beträchtliche Menge an Lievito Madre auf Vorrat. Da ich aber regelmäßig damit backe und auch Teig verschenke und verkaufe, ist das für mein Backverhalten in Ordnung.

Beim Auffrischen des Lievito Madre stellt sich immer wieder die Frage, ob  man den kompletten Teig auffrischt oder nur das „Herz“. Unter „Herz“ versteht man den inneren, saftigsten Teil der Madre. Er wird von vielen als das aktiviste und wertvollste Teilstück des Lievito gehalten. Naturgemäß muss dann der Rest (das entspricht ca. 2/3 des Teigs) entsorgt werden. Ich habe kein Problem damit, ab und an (alle drei – bis vier Monate) einen Gutteil der Madre zu entsorgen, weil ich dann einfach zuviel davon habe. Der Vorteil dieser Vorgehensweise, der vielen als unökonomisch oder gar unethisch vorkommen mag, ist, dass der Lievito auf diese Weise eine Verjüngungskur durchläuft: so wird dem alten Stamm des Teigs, in dem sich schon viele der guten Milchsäure-Kulturen befinden, ein Festessen bereitet: soviele frische Zutaten – sprich Mehl – auf die Menge an Bakterien gerechnet – wirkt sich sofort auf die Triebstärke aus: Der Sauerteig erhält einen regelrechten Boost und verdoppelt bzw. verdreifacht sich deutlich schneller als zuvor. Ob man sich also für die Herz- oder die Vollauffrisch-Methode entscheidet, bleibt jedem überlassen.

Trocken-Sicherung

Nicht wegwerfen – sichern!

Für diejenigen unter euch, die keine Lebensmittel entsorgen möchten, habe ich eine schöne Alternative: Neben dem Verschenken von Lievito Madre an Freunde und Freundinnen, Familie, Bekannte und Arbeitskollegen ist das Erstellen einer Trocken-Sicherung sehr vorteilhaft. Die Trocken-Sicherung bietet sich darüberhinaus auch an, wenn ihr euch aufgrund eines Urlaubs oder sonstiger Abwesenheiten nicht um die Madre kümmern könnt.

Die Erstellung einer Kopie / Trocken-Sicherung kann auf zwei Wegen erfolgen:

  1. Trocknung des Teigs oder durch eine
  2. Krümel-Sicherung

erfolgen:

  1. Den gefütterten und gegangenen Teig im Verhältnis 1:3 (1 Teil Madre und 3 Teile Wasser) verflüssigen und dünn auf ein Backpapier aufstreichen. Backofenlicht anschalten, Ofentüre einen Spalt öffnen und mit Umluft ca. 8 –  12 h ohne Temperatur trocknen lassen. Die Stücke dann in ein Schraubglas einfüllen. Alternativ stellt man aus dem getrockneten Madre ein Pulver her: dazu atomisiert man die getrockneten Madre-Stücke im Blitzzerkleinerer und füllt das Pulver in ein Schraubglas. Die Haltbarkeit beträgt ca. 10 – 12 Wochen.
  2. Krümel-Methode: Man setzt soviel Mehl zur Pasta Madre hinzu, bis der Teig krümelig wie für einen Streuselkuchen ist. In einer abgedeckten Schüssel und im Kühlschrank gelagert hält sich der Lievito Madre mehrere Wochen problemlos.

Wenn ihr euren Lievito Madre aus dem Dornröschen-Schlaf erwecken wollt, einfach wieder mit etwas mehr Wasser füttern (Mehlmenge und Honig bleibt gleich), bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist.

Problembehandlung:

Lievito Madre ist schlapp: Was kann ich tun?

Honig! Das ist das Zauberwort. Damit bekommt man den Lievito Madre in der Vielzahl der Fälle wieder aktiv und fit. Bei der Auffrischung empfehle ich nun allerdings dringend, nur das Herz zu füttern und den Rest tatsächlich in die ewigen Jagdgründe zu entlassen (Begründung siehe oben).

Bei der Auffrischung fügt man dem Teig einfach einen Teelöffel Honig hinzu und wiederholt nötigenfalls das Prozedere ein zweites Mal.

Wer keinen Honig verwenden möchte, kann Hefewasser verwenden. Alternativ setzt man der Madre eine winzige Menge Flüssigmalz hinzu oder frischt mit einem Vollkornmehl auf.

Hilfreich ist es auch, wenn man neben das Glas, in dem sich der Lievito befindet, sehr reife – wenn nicht sogar schon überreife – Früchte wie Äpfel oder Trauben befinden. Wenn das nichts nützt, habt Geduld, parkt den Lievito für zwei Tage auf der Fensterbank bei Zimmertemperatur (ohne direkte Sonneneinstrahlung) und versucht es nochmal. Gebt dem Teig Zeit – gerne zwei, drei, vier Tage bei Zimmertemperatur. Dann sollte er sich erholt haben.

Die Pasta Madre riecht sauer

Eieiei…da ist die Gute aber zurecht sauer geworden: ihr habt sie nicht oft genug gefüttert und sie zu kalt geführt. Die Madre reagiert dann damit, dass die Balance zwischen Milchsäure- und Essigsäurebakterien aus dem Gleichgewicht geraten ist. Die Essigsäurebakterien haben die Oberhand gewonnen. Aber: keine Panik. Auch das kriegen wir wieder hin (meistens):

Schneidet den Teig in Stücke von ca. 3 cm Dicke und wässert die Teigstücke für ca. 15 min in handwarmen Zuckerwasser (500 ml Wasser + 2 EL Zucker). Trocknet die Teigstücke ab und verknetet sie miteinander. Frisch füttern im Verhältnis 1:2:1 (Lievito:Mehl:Wasser) und bei 21 – 26 Grad Celsius abstellen. Das Prozedere nötigenfalls nach 24 Stunden wiederholen.

Fitness-Programm

Die „Legatura“-Methode (Bonding)

Wer experimentierfreudig ist und auch keine Angst vor explodierenden Teigpaketen hat, für den ist die Legatura-Methode (Verschnürmethode) das Richtige: mit dieser Methode entfaltet der Lievito Naturale eine extreme Triebkraft.

Die Legatura-Methode funktioniert, weil durch den Abschluss nach Außen die anaeroben Mikroorganismen, die für die Lockerung des Teiges zuständig sind, in kurzer Zeit extrem stark anwächst.

Diese Methode ist daher bei schweren Teigen, wie z. B. bei einem Panettone oder einer Colomba, zu empfehlen. Man beginnt mindestens einen – besser noch zwei Tage – vor dem Backtag mit den Vorbereitungen.

Der Lievito muss zweimal aufgefrischt werden im Verhältnis 1:1:2 (Lievito:Wasser:Manitoba-Mehl): 3 – 4 h stehen lassen. Dieses Prozedere einmal wiederholen.

Den Teig in ein Stück Backpapier einwickeln. Dieses Teigpaket in ein Geschirrtuch geben. Nun das Paket mit einem Küchengarn so verschnüren wie einen Rollbraten.

Den Teig für eine Stunde bei Zimmertemperatur (21 – 24 Grad Celsius) stehen lassen, dann über Nacht in den 4 Grad Celsius kalten Kühlschrank geben.

Hat das Teigpaket Spannung entwickelt, die Verschnürung vorsichtig entfernen, den Teig entnehmen und in ein Zuckerbad (siehe oben) geben.

Den Teig nun füttern im Verhältnis 1:1:2 (Lievito:Wasser:Manitoba-Mehl) und bei Zimmertemperatur gehen lassen, bis er sich volumenmäßig verdoppelt hat.

Die Madre ist nun backfähig und kann sofort verwendet werden.

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Zutaten

  • 200 g Weizenmehl, Bio-Hartweizenmehl (alternativ geht jedes Mehl aus der Weizenfamilie - Einkorn, Ur-Dinkel, Ur-Weizen 550)
  • 100 g warmes Wasser (37°C), oder Hefewasser (siehe oben)

Zubereitung

  • Tag 1:
    • Alle Zutaten miteinander verkneten und zu einer Kugel formen.
      • Das funktioniert gut im Thermomix: 3 min Knetstufe
      • mit feuchten Händen aus dem Thermomix entnehmen und in ein schmales, hohes Einmachglas mit Deckel geben. Deckel drauf und 24 h bei Zimmertemperatur (24-26°C) stehen lassen
    Tag 2:
    • 100 g vom Teig abnehmen und mit 100 g Mehl und 46-50 ml handwarmen Wasser verkneten (wieder im Thermomix, wenn man einen hat), zur Kugel formen, in ein sauberes hochwandiges Einmachglas geben und Deckel drauf oder mit einer Frischhaltefolie, die mit einem Gummiband befestigt wird, abdecken. Nochmal 24 h bei  bei Zimmertemperatur (24-26°C) stehen lassen.
    Tag 3 bis 7:
    • jeden Tag das Prozedere wie oben genannt wiederholen.
    Tag 8:
    • wieder nach dem oben beschriebenen Verfahren füttern und den Teig nun für fünf Tage im Kühlschrank reifen lassen.
    Tag 13:
    • wieder wie oben beschrieben füttern und für drei Tage im Kühlschrank rasten lassen
    Tag 16:
    • der Teig ist fertig und kann verbacken werden: jeweils 25-30% der Mehlmenge an Pasta Madre hinzufügen (auf 1 kg Mehl rechnet man also zwischen 250 und 300 g aufgefrischte Madre)

Notes

Züchten von pasta madre mit Hefewasser

Das Züchten von Lievito madre kann man durch das Hinzufügen von Zucker  (Roh-Rohrzucker) bzw. Honig und Früchten beschleunigen. Auf den Schalen der Früchte – wie z. B. von Trauben, Äpfeln oder getrockneten Kirschtomaten, befinden sich für die Fermentation sehr gut geeignete Hefepilze. Ich empfehle daher, den Lievito madre mit einem Hefewasser anzusetzen. Danach sollte kein weiteres Hefewasser verwendet werden. Die im Hefewasser enthaltenen natürlichen Hefen reichen aus, um die madre durch ihr gesamtes Leben zu begleiten.

Pflege der Lievito Madre / Pasta Madre / LM:

Gefüttert wird die Lievito immer im Verhältnis 1:1:0,5  (1 Teil pasta madre + 1 Teil Mehl + 0,46 – 0,5 Teile warmes Wasser.

Je nachdem, wie fest eure Madre sein soll, verwendet ihr eher mehr oder weniger Wasser. Zieht ihr ihr die 0,5er Option, gerät euch die Madre eher weich. Wollt ihr sie aber etwas fester, nehmt ihr nur 0,46 ml Wasser. Letzteres empfehle ich sehr gerne, denn das Handling wird so deutlich erleichert).

Ihr solltet sie in den ersten zwei bis drei Wochen mindestens drei-bis viermal pro Woche füttern, damit sie ihre Kraft entwickeln kann. So wird sie mit jeder Fütterung immer triebstärker und aromatischer. Vor dem Verbacken sollte sie immer noch mindestens einmal – besser zweimal – gefüttert werden. Und dies am besten am gleichen Tag.

Nach dieser Anlaufphase ist die Pasta Madre sehr widerstandsfähig und kann es durchaus aushalten, nur noch alle 10 Tage aufgefrischt zu werden. Der bessere Weg ist jedoch das Auffrischen alle 2-3 Tage.

Benötigt ihr eine sehr triebstarke madre (z. B. um einen Panettone oder eine Ciabatta zu backen), frischt ihr die madre vier Tage vor dem Backen jeweils zweimal pro Tag auf. Alternativ verwendet ihr die Legatura-Methode (siehe oben).

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